Der Gemeinderat möge beschließen: Die Lange Rötterstraße in der Neckarstadt-Ost wird als Stadtteilzentrum aufgewertet, indem konkrete bauliche und verkehrliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, insbesondere zur Unterbindung des Durchgangsverkehrs, umgesetzt werden.
Hierzu werden folgende Maßnahmen ergriffen:
- Die Einrichtung von Anlieferzonen vor Geschäften, ähnlich wie in Kunststraße und Fressgasse
- Förderung des Radverkehrs durch Umwidmung zur Fahrradstraße, Einrichtung einer Fahrradzone oder Ausweisung als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich mit Tempo 20 (gem. § 45 Abs. 1d StVO)
- Breitere Gehwege und erleichterte Querung der Fahrbahn für Fußgänger*innen durch stellenweise Fahrbahnverengungen
- Aufwertung des Platzes an der Uhlandschule und anderer Bereiche entlang der Langen Rötterstraße durch Umwidmung von Pkw-Stellplätzen zu Flächen für Gastronomie und unkommerziellen Aufenthalt
- Entfall des zweiten MIV-Fahrstreifens in Fahrtrichtung Alter Messplatz zwischen Pozzistraße und Käfertaler Straße.
- Prüfung, inwieweit eine Unterbrechung der Langen Rötterstraße für den MIV durch Einrichtung einer kleinen Fußgängerzone umsetzbar ist: Die Lange Rötterstraße soll dabei in den zwei Abschnitten westlich und östlich davon als einander zulaufende Einbahnstraßen umgewidmet werden. Der MIV soll an den beiden Enden Richtung Carl-Benz-Straße und Käfertaler Straße abgeleitet werden. Zur Prüfung dieser Maßnahme in der Praxis soll ein 5-monatiger Verkehrsversuch analog dem Verkehrsversuch Innenstadt erfolgen, der von einer breiten Gemeinderatsmehrheit getragen wird.
Der Versuch findet unter Beteiligung und Information des Bezirksbeirats Neckarstadt-Ost sowie der Anwohner*innen und der anliegenden Gewerbetreibenden und Gastronom*innen statt. Die Baumaßnahme und Straßensperrung in der Langen Rötterstraße zwischen Cannabichstraße und Friedrich-Ebert-Straße im Sommer 2021 hat gezeigt, dass eine solche vollständige Unterbrechung möglich ist und zu einer spürbaren Verkehrsberuhigung im Stadtquartier führt. - Nach erfolgtem Verkehrsversuch soll dessen Auswertung hinsichtlich Machbarkeit und Akzeptanz für Anwohner*innen, Pkw und Fahrradverkehr erfolgen. Dabei soll auch die Verlagerung des fließenden Verkehrs sowie die Veränderung des Modal Splits im Stadtquartier erfasst werden.
Die Verwaltung erarbeitet zu den Punkten 1-6 ein Machbarkeitskonzept zur Planung und Umsetzung. Bei der detaillierten Ausgestaltung fließen auch die Ergebnisse der Workshop-Reihe „Migrants4Cities“ ein.
Begründung:
Die Lange Rötterstraße im Bereich zwischen Käfertaler Straße und Kobellstraße/ Kinzigstraße ist im Zentrenkonzept der Stadt Mannheim (Fortschreibung 2018) als Stadtteilzentrum ausgewiesen. Hierin wird auch festgestellt, dass „ein Mangel an öffentlichen Aufenthaltsbereichen mit besonderer gestalterischer Qualität“ besteht (S. 50) und die Empfehlung ausgesprochen, den öffentlichen Raum zu modernisieren und bessere Querungsmöglichkeiten für Fußgänger*innen zu schaffen. Der größte Teil der Verkaufsfläche dient hier der Nahversorgung für die Bewohner*innen des Stadtteils und angrenzender Quartiere. Somit dürften Fuß- und Fahrradmobilität für die Erledigungen in der Langen Rötterstraße die größte Rolle spielen.
Eine Attraktivierung der Langen Rötterstraße ist aus mehreren Gründen erforderlich: Der stationäre Einzelhandel ist einer zunehmenden Konkurrenz durch das Online-Geschäft ausgesetzt. Auch in der Lebensmittelbranche und bei Waren des kurzfristigen Bedarfs, was in der Langen Rötterstraße den größten Teil ausmacht, gewinnt der Onlinehandel. Ein ansprechendes Umfeld, gute und sichere Erreichbarkeit der Geschäfte zu Fuß und mit dem Fahrrad sind ein wichtiger Faktor, um den stationären Einzelhandel zu stärken. Die Außenbewirtschaftung in der Gastronomie gewinnt – selbst das ganze Jahr über – an Beliebtheit und ist ein wichtiger Faktor für Cafés und Restaurants. Aufgrund der derzeitigen Straßenaufteilung bietet der Gehweg keine ausreichende Breite für Außengastronomie. Mindestens die Nutzung der Pkw-Stellplätze wäre für eine Ausweitung erforderlich. Auch Anwohner*innen und die zahlreichen Schüler*innen auf dem Schulweg (Uhlandschule) profitieren von einer fuß- und fahrradfreundlichen Umgestaltung und somit von einer Verkehrsberuhigung der Langen Rötterstraße.
Etwa 20 Prozent des gesamten Straßenverkehrs in der Langen Rötterstraße ist reiner Durchgangsverkehr (Stadt Mannheim – Masterplan Mobilität 2035). Dieser Verkehr belastet die Lebensqualität der Anwohner*innen, wirkt sich negativ auf das Einkaufserlebnis beim dortigen Einzelhandel aus und stellt für die vielen Kinder auf ihrem Schulweg eine Gefahrenquelle dar. Daher gilt es, den Durchgangsverkehr zu unterbinden, um die Verkehrsbelastung insgesamt zu reduzieren.
Es kommt in der Langen Rötterstraße ständig zu Konflikten zwischen den Verkehrsteilnehmenden: Fußgänger*innen fühlen sich von Radfahrenden gestört, die teilweise verbotswidrig den Gehweg nutzen, entweder wegen der unklaren Fahrradführung oder aus Angst vor der teils stark befahrene Straße. Auf der Straße müssen Radfahrende oft auf die Gegenfahrbahn ausweichen, weil PKWs oder LKWs in zweiter Reihe auf der Fahrbahn parken.
Die Straßenquerung für Fußgänger*innen, insbesondere zwischen Uhlandschule und Käfertaler Straße, ist aufgrund der hohen Verkehrsbelastung in den Spitzenstunden sehr schwierig oder mit langen Wartezeiten verbunden, bis sich eine ausreichende Lücke im fließenden Verkehr auftut. Gesicherte Querungen o.ä. sind hier keine vorhanden.
Durch Anlieferzonen im Bereich der Seitenräume könnte das Parken auf der Fahrbahn vermieden werden und für bessere Ordnung sorgen. Als Fahrradstraße hätten Radfahrende Vorrang gegenüber dem MIV, sodass dadurch die konfliktreiche Nutzung der Gehwege unterbunden werden könnte.
Eine Ausweisung als Tempo 20 würde ebenfalls das Sicherheitsgefühl der Radfahrenden erhöhen und zudem die Querung durch Fußgänger*innen erleichtern. Breitere Gehwege und ein dadurch reduzierter Fahrbahnquerschnitt würden den Charakter der Langen Rötterstraße als Stadtteilzentrum unterstreichen und die Dominanz des MIV reduzieren. Durch Umwidmung von Pkw-Stellplätzen können Außengastronomie ausgeweitet und die Aufenthalts- und Erlebnisqualität beim Einkauf im Stadtteil erhöht werden, es können aber auch unkommerziell nutzbare Freiflächen für Begegnung und Bewegung entstehen.
Während all diese Maßnahmen dazu beitragen können, den reinen Durchgangsverkehr unattraktiver zu machen, soll auch eine vollständige Unterbrechung der Langen Rötterstraße geprüft werden, um den durchfahrenden Verkehr vollständig zu unterbinden. Dies könnte über einfache Pfosten oder eine Schranke, aber auch durch eine kleine Fußgängerzone (Beispiel Meerfeldstraße) ermöglicht werden.
Der vorliegende Antrag basiert auf den Vorschlägen der Bürgerinitiative Lange Rötterstraße, des Bürgerbeteiligungsformats „Migrants4Cities“ und weiterer Bürgerbeteiligungen. Den unterschiedlichen Bedürfnissen der Neckarstädter*innen soll hierdurch Rechnung getragen werden. Gleichwohl kann ein Verkehrsversuch ohne entsprechendes Begleitprogramm für Bürger*innen leicht zu Irritationen führen. Daher sollen die Menschen mitgenommen und ortsnah informiert werden (z.B. durch Flyer, Plakate, Infostände etc.), da die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass allein Bekanntmachungen durch die Presse nicht ausreichend sind.