Mannheim: Stadt für alle, auch in Krisenzeiten!
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin und Herren Bürgermeister,
sehr geehrte Mannheimer*innen,
liebe Kolleg*innen,
wir müssen uns auf einen Haushalt für unsere Stadt einigen, der erneut unter einer globalen Krise steht, auf die wir auf kommunaler Ebene keinen Einfluss haben. Hinter uns liegen bereits fast drei Jahre Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen. Der völkerrechtswidrige russische Angriff auf die Ukraine Anfang dieses Jahres hat die Welt und auch uns in Mannheim erschüttert. Unsere Solidarität gilt der ukrainischen Bevölkerung, aber auch der oppositionellen und kritischen russischen Bevölkerung, die unter der autokratischen und kriegstreiberischen Politik Putins leidet. Neben all dem menschlichen Leid führte der Krieg zu einer Störung der Lieferketten, wodurch Preise für Alltagsprodukte spürbar gestiegen sind. Vor allem zu spüren ist die Verknappung von Erdgas, die zu explodierenden Energiepreisen und der nächsten Krise – die Energiekrise – geführt hat. Über all diesen Krisen schwebt das Damoklesschwert der Klimakatastrophe, die es abzuwenden gilt und daher einen breiten Schulterschluss aller gesellschaftlichen Kräfte erfordert.
Angesichts dieser globalen Krisen erscheinen die Probleme in unserer Stadt nahezu nichtig. Doch sorgen Corona, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die Inflation dafür, dass die hier bestehenden Probleme sich weiter verschärfen. Da wäre allem voran die anhaltende Wohnungsnot zu nennen und eine Infrastruktur, insbesondere im Bereich Bildung und Betreuung, die dem Bevölkerungswachstum in der Stadt kaum hinterherkommt, während sich wichtige Träger wie die Kirchen zunehmend zurückziehen. Neben den drastisch steigenden Nebenkosten steigen die Mietpreise in Mannheim weiterhin, was das kürzlich erschienene Wohnungsmarkt-Monitoring 2021 wieder bestätigt. Und Eltern müssen im schlimmsten Fall ihre Kinder in unerschwinglichen Kitas unterbringen. Die schleichende Deindustrialisierung und der damit einhergehende Abbau tarifgebundener Arbeitsplätze wie bei Evobus sorgt zusätzlich für Verunsicherung und Zukunftsängste unter vielen Mannheimer*innen.
Und nicht zu vergessen die Mannheim-spezifischen Probleme: Als erste „Großbaustelle“ das chronisch unterfinanzierte Universitätsklinikum, für das eine zukunftsorientierte Lösung auf Landesebene bewusst verschleppt wird und damit weiterhin für den städtischen Haushalt schwer kalkulierbare Risiken bereithält. Bei der zweiten Großbaustelle im wahrsten Sinne des Wortes, der Sanierung des NTM, können wir nur hoffen, dass uns Überraschungen während der Sanierung, die zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung führen, ausbleiben werden.
Bei der dritten Baustelle, der Konversionsflächen ehemaliger Militär- und Bahnflächen, würden wir uns ein mutigeres Vorgehen der Stadt wünschen, sich gerade in diesen unsicheren Zeiten stärker unabhängig von den Launen des Marktes zu machen und der essentiellen Aufgabe, bezahlbaren preiswerten Wohnraum in ausreichendem Maße für die Stadtbevölkerung zu schaffen, selbst nachzukommen, anstatt sich auf Privatinvestoren zu verlassen. Dass das schief gehen kann, sehen wir u.a. beim Postareal und auf Turley, wo die Quartiersentwicklung seit Jahren stockt.
Das Gleiche gilt für das Thema Verkehrswende. Ob der Masterplan Mobilität 2035 ein großer Wurf wird, bleibt abzuwarten. Das viel zu lange Zögern und Zaudern beim Ausbau des Radverkehrs, der Umsetzung eines Parkraumkonzeptes gemäß gesetzlicher Vorgaben und der Stärkung des ÖPNV auf regionaler Ebene lässt Mannheim weit hinter der Entwicklung vergleichbarer Städte herhinken.
Die geringsten Sorgen machen wir uns als Fraktion um die derzeit größte Baustelle, die BUGA. Wir freuen uns darauf und sind zuversichtlich, dass sie zu einem großen Erfolg für die Stadt wird. Dennoch sollte die Kritik an den ökologischen Aspekten ernst genommen werden. Denn diese Kritikpunkte trüben die Freude und werfen ein schlechtes Bild auf das Projekt Grünzug Nordost. Weiterhin vermissen wir hier Vergünstigungen für die weniger zahlungskräftigen Bürger*innen der Stadt, darunter viele Familien und Senior*innen, die sich die Eintrittspreise kaum leisten können. Hier wünschen wir uns eine Lösung zugunsten einer inklusiven Teilhabe, damit die BUGA ein Fest für alle wird.
Die Armut wächst – die Aufgaben wachsen mit
Die Zahl der Armutsbetroffenen ist während der Corona-Krise in Mannheim angestiegen. Die Schere zwischen armen und wohlhabenderen Stadtteilen ist weiter auseinandergegangen. Die Stadtteile der Sozialräume IV und V drohen noch weiter abgehängt zu werden. Die hohe Inflation und der damit einhergehende Kaufkraftverlust sowie die steigenden Energiepreise verschärfen die Situation noch. Die Schlangen vor den Tafel-Läden sind in diesem Jahr bereits länger geworden, die Tafeln sind teilweise am Limit. Viele Menschen auch mit geregeltem Einkommen drohen aufgrund von steigenden Preisen und Überschuldung in die Armut abzurutschen.
Es sollte in diesem reichen Land selbstverständlich sein, dass die Menschen ihre Grundbedürfnisse weiterhin befriedigen können. Dazu gehört eine ausreichende Versorgung mit Energie. Deshalb fordern wir von der MVV, bei der die Stadt Mehrheitseigentümerin ist, preiswerte Basistarife für Strom und Gas. Außerdem müssen für alle Haushalte Strom- und Gassperren verhindert werden, auch bei Nicht-MVV-Kund*innen. Die Sperren könnten durch einen eigens für diesen Zweck eingerichteten kommunalen Fonds abgewendet werden, unabhängig vom Status der Betroffenen und den Vertragspartnern. Wir appellieren hier an den Gemeinderat und die Verwaltung, Haushaltsmittel zu sichern und einen entsprechenden Fonds auf dem den Weg zu bringen, um keine Mannheimer Bürger*innen im Dunkeln sitzen oder frieren zu lassen.
Armut schränkt die persönliche Mobilität ein. Das 9-Euro-Ticket hat vielen Menschen, die sich sonst keine Reisen oder Ausflüge leisten können, genau diese Teilhabe ermöglicht. Mit dem Wegfall dieses Angebots hätte endlich die Notwendigkeit erkannt werden können, dass ein günstiger Ticketpreis die Mobilität mit dem ÖPNV fördern kann. Doch das 49-Euro-Ticket auf Bundesebene ist viel zu hochpreisig, das Thema Sozialticket bleibt aktuell. Die Menschen brauchen ein Sozialticket als Monatskarte, die dem 9-Euro-Ticket nahekommt. Als Minimallösung erwarten wir von der Stadt die Beibehaltung des Angebots von monatlich 20 Einzelfahrscheinen für alle Sozialpass-Inhaber*innen.
Wesentliche Ziele der Stadt sind die Teilhabe armer und einkommensschwacher Menschen an Kultur und Bildung sowie die Reduzierung der Armut. So vielfältig die Ursachen für Armut sind, so vielfältig ist der Bedarf an Hilfs- und Beratungsangeboten. Diese Angebote werden überwiegend durch Dritte als Dienstleister erbracht, die durch die aktuellen Kostensteigerungen und die berechtigten Lohnsteigerungen an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten kommen. Diese erhöhten Zuschussbedarfe muss die Stadt unbedingt im Haushalt abbilden, um die Angebote aufrechtzuerhalten. Der Entwicklung zu wachsender Armut in den aufeinanderfolgenden Krisen kann nicht mit einer Reduzierung der Maßnahmen zur Bewältigung dieser Armut reagiert werden. Hier fordern wir ein klares Bekenntnis mit entsprechender finanzieller Ausstattung ein. Dies gilt selbstverständlich für alle sozialen Beratungsleistungen und Angebote.
Wohnen: Ein Menschenrecht muss man sich leisten können
In Mannheim wird viel gebaut, doch leider viel zu wenig für die drängendsten Bedürfnisse. Neben dem chronischen Mangel an geeigneten und bezahlbaren Wohnungen für große Familien bietet der Wohnungsmarkt zu wenig preiswerten Wohnraum für untere und mittlere Einkommen. Die Sozialquote von 30 Prozent preisgünstigem Wohnraum in Neubauten ab zehn Einheiten in neuen oder geänderten Bebauungsplänen ist zwar ein wichtiger Beitrag gegen diesen Mangel. Aber erstens kam sie viel zu spät, so dass sie im größten Neubaugebiet der Stadt, auf Franklin, überhaupt nicht zur Geltung kommt. Und zweitens sind 30 Prozent zu wenig, da die Mehrheit der Wohnungssuchenden auf dieses Preissegment angewiesen ist. Wir halten eine Sozialquote in Höhe von 50 Prozent sowie die Anwendung der Sozialquote auf Bauvorhaben im Innenbereich für angebracht.
Außerdem benötigen wir für Mannheim eine Offensive des Sozialwohnungsbaus. Nach wie vor verliert Mannheim gemäß dem Bundestrend mehr Wohnungen mit Sozialbindung als neue gebaut werden. Die GBG, aber auch die Genossenschaften und private Bauträger, sind aufgefordert, die Bundes- und Landeswohnraumförderangebote umfangreich in Anspruch zu nehmen. Der Bedarf ist da, die Warteliste der Berechtigten für den „Paragraph-5-Schein“ (Wohnberechtigungsschein) ist lang. Gemeinwohlorientierte Bauträger, Wohnprojekte und Initiativen wie bspw. das Mietshäusersyndikat oder die Stamitzstraße 7 müssen besser unterstützt werden. Davon ausgehend, dass viele Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern dauerhaft in Mannheim bleiben und auch künftig Geflüchtete sich in Mannheim niederlassen werden, wird der Druck auf den Wohnungsmarkt weiterhin hoch bleiben. Die Lösung darf kein verschärfter Konkurrenzkampf unter den Wohnungssuchenden sein, sondern die Sicherung und Schaffung von Wohnraum für alle, den sich auch alle leisten können!
Wesentlicher Faktor für die langfristige Sicherung und Schaffung preiswerten Wohnraums ist eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik. Die Stadt muss mit großem Engagement Grundstücke aufkaufen und im eigenen Bestand halten, um diese dem Markt und somit der Spekulation zu entziehen. Die leistungslosen Bodenwertzuwächse, die in privater Hand verbleiben, sind ungerecht, da sie die Allgemeinheit durch steigende Mietpreise belasten. Es ist daher gut, dass für den Bodenfonds jährlich 2 Millionen Euro vorgesehen sind. Aber das ist in Anbetracht der aktuellen Bodenpreise bei Weitem nicht ausreichend. Dass nach wie vor für ein Vielfaches davon pro Jahr an Grund und Boden veräußert wird, ist unseres Erachtens ein großer Fehler.
Ein weiterer Baustein zur Sicherung preiswerten Wohnraums ist der Kauf von Bestandsgebäuden, idealerweise über das Vorkaufsrecht. Dass die Stadt bei einem Grundstück in Neuhermsheim in erster Instanz unterlegen ist, ist bedauerlich. Sie darf sich davon jedoch nicht abschrecken lassen. Haushaltsmittel für den Kauf von Bestandsimmobilien und Grundstücken sind daher unbedingt einzuplanen.
Bildung: Kitas als Gemeinwohl und eine Gesamtschule im Süden
Die Zukunft der Stadt sind die Kinder und Jugendlichen. Der Zuzug nach Mannheim bedeutet auch mehr Familien mit entsprechenden Bedarfen: Krippen-, Kita- und Schulhortplätze, Klassenräume, pädagogische Fachkräfte usw. Die Verwaltung hat ein Konzept aufgelegt, bei der U3- und Ü3-Betreuung innerhalb weniger Jahre auf 100 Prozent plus zu kommen. Dieses Vorhaben unterstützen wir ausdrücklich. Hier darf auf keinen Fall eingespart werden. Wir erwarten auch ein Festhalten am flächendeckenden Ausbau der Schulsozialarbeit. Schließlich war es DIE LINKE, die die Stärkung der Schulsozialarbeit bereits vor etlichen Jahren gefordert hat und damit erfolgreich war.
Der Beruf Erzieher*in muss durch bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung attraktiver gemacht werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Mindestens tarifliche Entlohnung muss für alle Träger als Voraussetzung für eine Förderung durch die Stadt gelten. Elterngebühren hingegen müssen so niedrig wie möglich sein. Einrichtungen, die 800 Euro und mehr pro Kind und Monat verlangen, erfüllen keinen sozialen Auftrag, der eine Förderung rechtfertigt. Wir sprechen uns klar gegen profitorientierte Träger und Investoren aus, die in der Errichtung von Kitas ein Geschäftsmodell sehen. Kitabau und -betrieb dienen dem Gemeinwohl und nicht den privaten Profitinteressen!
Der Sanierungs- und Neubaubedarf an Mannheimer Schulen ist gewaltig und ebenso gewaltig sind die Summen, die von der Stadt dafür in die Hand genommen werden. Besonders begrüßen wir die Neuerrichtung einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe im Norden der Stadt, auch wenn wir Luzenberg gegenüber Spinelli als Standort bevorzugt hätten. Was Mannheim nun noch dringend fehlt, ist eine „zweite IGMH“ im Süden der Stadt zwischen Lindenhof und Rheinau, die mit der Neuerrichtung im Norden in keiner Weise hinfällig geworden ist. Wenn keine Gesamt-, so doch zumindest eine Gemeinschaftsschule bis zum Abitur im Mannheimer Süden innerhalb der nächsten fünf Jahre ist unser erklärtes Ziel.
Seit vielen Jahren warten Mädchen in Mannheim auf ihre eigene offizielle Einrichtung – den Mädchentreff. Mädchen brauchen ihren eigenen Safe Space, in dem sie ungestört verweilen können. Wir unterstützen daher die Einrichtung eines Mädchentreffs und fordern, die hierfür erforderlichen Mittel in den Haushalt aufzunehmen.
Gesundheit – ein Grundrecht für alle
Ob Arztpraxen oder Krankenhausbetten, rein statistisch weist Mannheim eine gute medizinische Versorgung auf. Allerdings ist die Verteilung vor allem an Facharztpraxen sehr ungleich. Den ärmeren Stadtteilen in den Sozialräumen IV und V mangelt es häufig über eine Hausarzt-Grundversorgung hinaus an allem. Gerade für diese Quartiere wäre die Einrichtung von Stadtteilgesundheitszentren mit breitem, vernetztem Versorgungsangebot zielführend. Am dringlichsten dürfte die Abdeckung an Kinderärzt*innen in allen Stadtteilen sein. Hier erwarten wir die Umsetzung des von uns geforderten Gesundheitskonzepts für Kinder und Jugendliche in den Sozialräumen IV und V sowie Verhandlungen der Stadt mit der Kassenärztlichen Vereinigung, um die dezentrale Versorgung zu verbessern.
Die medizinische Versorgung beinhaltet auch eine der unkalkulierbarsten Baustellen der Stadt, das Universitätsklinikum. Wir unterstützen die Verbund- und Fusionsbestrebungen mit dem Heidelberger Uniklinikum und kritisieren die Verzögerungstaktik des Landes aufs Schärfste. Den Optimismus der Verwaltung, keine Rücklagen für weitere Ausgaben zur Stützung des UMM im Haushalt 2023 einzustellen, nehmen wir angesichts unserer angespannten Haushaltssituation zwar mit Erleichterung zur Kenntnis, sehen dies jedoch auch skeptisch. Es sollte schon jetzt klar sein, dass ein zusätzlicher finanzieller Bedarf entstehen wird, zumal das Personal aus unserer Sicht Anspruch auf spürbare Gehaltszuwächse hat und im pflegerischen Bereich deutlich aufgestockt werden muss.
Das finanzielle Risiko des UMM, auf den Kosten medizinischer Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung sitzen zu bleiben, könnte durch eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung minimiert werden, wie sie mittlerweile in vielen deutschen Städten eingerichtet wurde. Es gibt eine schwer abschätzbare Zahl an Betroffenen, die entweder ihre Versorgungskosten selbst bezahlen oder häufiger auf die Angebote privater Hilfsorganisationen angewiesen sind. Wir werden hier weiterhin auf eine Lösung drängen – zugunsten der Betroffenen und zugunsten des UMM.
Welcher Entwicklung die Verwaltung kaum noch ausweichen kann, ist die kostenlose Ausgabe von Menstruationsartikeln, wie von LI.PAR.Tie. schon lange beantragt. In der Region bieten das immer mehr Städte an, z.B. Karlsruhe, Landau, Heidelberg und Ludwigshafen, oder einzelne Einrichtungen wie hier in Mannheim das Moll-Gymnasium. Sie alle belegen, wie wenig stichhaltig die Begründung für die Ablehnung unseres Antrags ist. Wir erwarten hier ein Bewusstseinswandel bei der Verwaltung im Laufe des kommenden Jahres. Alles andere wäre nicht nachvollziehbar.
Entschlossene Umsetzung von Klimaschutz und –resilienz
Mannheim bekommt einen ehrgeizigen Klimaschutzaktionsplan, der eine weitgehende Klimaneutralität bis 2030 erreichen soll. Dieses ehrgeizige Ziel begrüßen wir absolut, auch wenn statt des angestrebten 1,75°C-Ziels das 1,5°C-Ziel erreicht werden muss. Allerdings sind Zweifel an der Umsetzbarkeit der Maßnahmen innerhalb der nächsten sieben Jahre angebracht. So wird die Offensive in der Gebäudesanierung durch Material- und Fachkräftemangel sowie steigende Preise im gesamten Bausektor gebremst. Wie die nicht geförderten Anteile einer Photovoltaik-Offensive finanziert werden sollen, ist bis jetzt nicht schlüssig dargelegt. Größtes Problem ist aber, dass all die Maßnahmen im Klimaschutzaktionsplan noch nicht monetär im Haushalt hinterlegt sind. Dabei wird die Umsetzung Unsummen kosten, die aus dem laufenden Haushalt nicht zu stemmen sein werden. Unseres Erachtens müsste die Stadt ein Sondervermögen Klimaschutz anlegen oder gleich ganz mit dem Dogma der „Schwarzen Null“ brechen. Die dafür zu erwartende Auseinandersetzung in der Politik und den Entscheidungsebenen sollte uns Mannheims Beitrag zur Abwendung der Klimakatastrophe wert sein.
Ein Sektor, in dem die Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase bundesweit und leider auch in unserer Stadt viel zu langsam vorwärts geht, ist der Verkehr. Mannheim hinkt deutlich seinen selbst postulierten Zielen des 21-Punkte-Programms Fahrrad hinterher. Der Masterplan Mobilität 2035 verspricht zwar einige deutliche Kurskorrekturen in Richtung ökologischer Verkehrswende. Die werden aber überwiegend bis zur „Klimaschutz-Deadline“ 2030 nicht erreicht werden. Dabei brauchen wir schon heute eine deutliche Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen – auch für die Lebensqualität. Zu viele Menschen wohnen in Mannheim in unmittelbarer Nachbarschaft von lauten, abgaserfüllten Straßen.
Passend dazu fordern wir, auch zur finanziellen Entlastung der Stadt, die schnellstmögliche Schließung des Mannheimer Flughafens. Dieser Schritt, bei dem hauptsächlich innerdeutsche Flüge vermieden werden, sollte ganz im Sinne der Verkehrswende und Klimaschutzziele der Stadt sein. Das Areal des heutigen Flughafens könnte anderweitig sinnvoller genutzt werden, beispielsweise für Wohnen und Gewerbe, als Grünfläche oder für einen Solarpark.
Zu einer starken Klimaresilienz gehört eine Flora, die Hitze- und Trockenheitsperioden übersteht, zu einem guten Mikroklima beiträgt und CO2 bindet. Die Erneuerung der Wälder und Gestaltung der Grünflächen auf dem Stadtgebiet muss in ökologischem und gesundheitlichem Interesse finanziell und ordnungsrechtlich gesichert sein. Wir erwarten von der Stadt, dass sie sich für die Umsetzung des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens zum Hochwasserschutz am Rhein mit einer Spundwand-Lösung einsetzt, notfalls auf dem Klageweg. Der Baumbestand im Waldpark muss weitgehend erhalten bleiben.
Tierschutz darf kein Stiefkind der Politik sein
Wild- und Haustiere sind ein fester Bestandteil unserer Stadt. Das Zusammenleben mit ihnen funktioniert am besten, wenn ihre Bedürfnisse und Bedrohungen von uns Menschen berücksichtigt werden. Dadurch können auch Kosten entstehen, die aber zum einen der Fürsorgepflicht entsprechen, zum anderen Kosten an anderen Stellen einsparen. Gute Beispiele dafür sind die Katzenschutzverordnung, die für zu einer Reduzierung der unversorgten Katzenpopulationen führen wird, und das Stadttaubenmanagement, dessen Umsetzung für weniger und gesündere Tauben und damit für deutlich weniger Taubenkot auf den Dächern, Straßen und Plätzen der Stadt führen wird. Die dafür notwendigen Taubenschläge und dauerhaften Maßnahmen werden nicht billig, aber im Interesse von Tieren und Menschen sind sie unumgänglich.
Das Gleiche gilt für eine Wildtierauffangstation. Nicht jedes aufgefundene hilflose Wildtier von Igel und Eichhörnchen bis zum Reh und Wildschwein können private Initiativen und der Tierschutzverein versorgen. Hier ist die öffentliche Hand, also die Stadt Mannheim, in der Pflicht.
Ein gutes Beispiel für das große Interesse am Tierschutz in der Bevölkerung und in der Kommunalpolitik ist ein fraktionsübergreifender Antrag, Ponykarussells nicht mehr auf Weihnachts- und Jahrmärkten zuzulassen, da sie für die Tiere eine unzumutbare Qual darstellen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen.
Die Reduzierung des Fleischkonsums und von Milchprodukten trägt erwiesenermaßen zum Klimaschutz und zu individueller Gesundheit bei. Immer mehr Städte und Institutionen weiten ihre Angebote an veganen Gerichten in Mensen und bei Veranstaltungen aus. In Mannheim besteht diesbezüglich noch Nachholbedarf, um die entsprechenden Angebote mit veganen Optionen auszubauen.
Kultur ist kein Luxus
Mannheim ist nicht nur City of Music, sondern bietet für seine Größe auch ein breites kulturelles Angebot. Das NTM als überregional bekannte und vielfach ausgezeichnete Spielstätte ist ein wichtiges kulturelles Angebot für die Bewohner*innen der ganzen Region und ein wichtiger Faktor im Standortwettbewerb mit anderen Städten. Entsprechend ist seine Sanierung ebenso eine Selbstverständlichkeit wie das Angebot an Ersatzspielstätten. Dass die Kreditfinanzierung der Sanierungskosten im Eigenbetrieb abgebildet wird, begrüßen wir.
Wichtig ist aber auch der Erhalt der Clubs, Kleinkunstbühnen, Galerien und anderer kultureller Einrichtungen, die auch Dank öffentlicher Zuschüsse die Corona-Krise überlebt haben, aber häufig finanziell weiter am Limit existieren. Auch wenn die gleich nachfolgend hereingebrochene Krise die finanziellen Möglichkeiten der Stadt noch stärker beschränkt, sehen wir sie in der Pflicht, ein Sterben der kulturellen Einrichtungen abzuwenden. Jeder Wegfall eines kulturellen Angebots vor Ort ist ein Verlust für die vielgerühmte Vielfalt der Stadt. Daher muss sich die Verwaltung an der Deckung entsprechender Bedarfe beteiligen.
Der Standort der Stadtbibliothek im Stadthaus ist langfristig keine Option mehr. Auch wenn aktuell kaum Mittel für den Neubau der Stadtbibliothek auf N2 im Haushalt eingestellt sind, muss an diesem Projekt zum vorgesehen Zeitpunkt festgehalten werden.
Inflationsausgleich und Abkehr vom Dogma der „Schwarzen Null“
Die Menschen verlieren durch die Inflation einen massiven Kaufkraftverlust. In den Tarifverhandlungen, wie jetzt anstehend für den Öffentlichen Dienst, muss dies anerkannt und entsprechend als Personalkosten und Bezuschussung sozialer und kultureller Einrichtungen, wie schon im Kapitel „Die Armut wächst – die Aufgaben wachsen mit“ erwähnt, im Haushalt abgebildet werden. Hier steht die Stadt klar in der Verantwortung. Das Personal war in den vergangenen knapp drei Jahren einer massiven Belastung und zahlreichen Sonderaufgaben ausgesetzt. Das muss sich endlich auch bezahlt machen. Auch ist zu beachten, dass die Stadt händeringend Personal sucht – hier ist eine angemessene Bezahlung eine Voraussetzung.
Wir begrüßen, dass die Stadt weiterhin an den geplanten Investitionen festhält. Uns ist bewusst, dass die multiplen Krisen, derzeit v.a. die Preissteigerungen und die drohende Rezession, massive Auswirkungen auf den Kommunalhaushalt haben. Diese werden erst im nächsten oder gar übernächsten Jahr voll durchschlagen. Der Gestaltungsspielraum ist bereits jetzt kaum noch vorhanden. Uns ist daher klar, dass im Haushalt 2023 unter den aktuellen Rahmenbedingungen keine nennenswerten Ausweitungen möglich sind. Wir fahren weiterhin auf Sicht.
Die Zukunftsfähigkeit Mannheims führt zwingend über Investitionen in Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Verkehr und Wohnen. Die Stadt muss sich daher von ihrem bisherigen Dogma der „Schwarzen Null“ verabschieden. Das Nettoneuverschuldungsverbot verhindert zum einen wichtige Investitionen in dringend erforderliche Infrastruktur und führt zum anderen in sog. Schattenhaushalte, die von Teilen dieses Hauses immer wieder kritisiert werden. Diese Schattenhaushalte ließen sich vermeiden, wenn wir unsere Ausgaben ehrlich im Haushalt abbilden könnten. Die Stadt alleine kann das Nettoneuverschuldungsverbot nicht abschaffen. Aber sie kann die entsprechenden Anstrengungen unternehmen, dass auf Landes- und Bundesebene ein Umdenken und eine Abkehr von dieser haushalterischen Vorgabe erfolgen. Die Parteien von vier im Gemeinderat vertretene Fraktionen sind an der Landes- und/oder Bundesregierung beteiligt, die diesen Schritt in die Wege leiten müssen. Wenn Mannheim seinen künftigen Generationen etwas Gutes tun will, muss die Stadt die notwendigen Investitionen tätigen können.
Danksagung
Die Fraktion LI.PAR.Tie. bedankt sich bei allen Beschäftigten der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und der städtischen Unternehmen. Das vergangene Jahr war für die meisten angesichts der äußeren Umstände erneut unberechenbar. Personalmangel und -ausfälle verschärfen den Arbeitsalltag zusätzlich. Dennoch schaffen sie es weiterhin, tagtäglich zum Funktionieren unserer Stadt auf allen Ebenen beizutragen. In diesem Zusammenhang gilt auch ein großer Dank allen Ehrenamtlichen in Mannheim, die viel Zeit investieren, um für die Stadt unverzichtbare Aufgaben und Aktivitäten zu leisten, das gesellschaftliche Leben zu sichern und zu bereichern. Mein besonderer Dank gilt meiner Fraktion, vor allem für ihr Vertrauen mir gegenüber, unserem Team in der Geschäftsstelle – Katja Weber und Fraktionsgeschäftsführer Stephan Bordt – für die große Unterstützung sowie unserem Altstadtrat Thomas Trüper, der diese Fraktion zusammengeführt hat.
Und natürlich auch vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Es gilt das gesprochene Wort.
Die Etatrede können Sie hier als PDF herunterladen.
Die Etatrede anschauen könnt ihr auf der Seite der Stadt Mannheim unter folgendem Link.